Armfüßer

Brachiopoden
Armfüßer, Armkiemer

Aus den griech. brachium= Arm und podos=Fuß
Stamm Tentaculata (Kranzfühler, Weichtierähnliche)
Klasse Brachiopoda

Vorkommen : weltweit, zu allen Zeiten in der Erdgeschichte

Wer zum ersten mal einen Brachiopoden findet, wird glauben er hätte es mit einer Muschel zu tun. Brachiopoden sehen den Muscheln zwar sehr ähnlich, jedoch sind Muscheln und Brachiopoden nicht miteinander verwandt. Die gehören nicht einmal zum selben Tierstamm. Muschel gehören zum Stamm der Weichtiere (Mollusca) wie die Kopfüßer (z.B. Schnecken und Tintenfische). Brachiopoden dagegen zu Stamm der Kranzfühler (Tentaculata), zu denen auch die Moostierchen gehören.
Ein sehr gutes und schnell erkennbares Merkmal, das die Brachiopoden von den Muscheln unterscheidet, ist die Symmetrie der Schale. Muschel besitzen mit wenigen Ausnahmen zwei gleiche Schalenhälften, das heißt sie sind spiegelsymmetrisch. Die Symmetrieebene verläuft waagrecht zwischen den zwei Schalenhälften. Brachiopoden dagegen haben eine obere Stielklappe und eine untere Armklappe. Die Symmetrieebene verläuft senkrecht durch die Mitte der Klappen. Ein weiteres Merkmal ist das in der Stielklappe vorhandene Stielloch.
Der Stiel, der durch dieses Loch nach außen ragte, bohrte sich in den Untergrund. Damit standen die Brachiopoden senkrecht auf dem Meeresgrund. Der muskulöse Stiel war zusammenziehbar, so konnten manche Brachiopoden, z. B. Lingula ihr Gehäuse zum Schutz vor Feinden in den Meeresgrund zurückziehen.

Von Eulenköpfen und Lampenmuscheln

Im Volksmund wurden Brachiopoden mit einer ganze Reihe von heute nur noch zum Teil nachvollziehbaren Namen versehen, wie Tascheln, Lochmuscheln, Lampenmuscheln, Taubensteine, Eulenköpfe, Schamsteine, Muttersteine usw. Zu dem etwas seltsamen Namen „Armfüßer“ kamen die Brachiopoden aufgrund eines Mißverständnisses bezüglich ihres Innenlebens. Die Brachiopoden besitzen innen an der unteren Armklappe befestigt ein Kiementragendes Organ das falsch gedeutet wurde als die Zoologie noch etwas in ihren Kinderschuhen steckte. So ist bei F. S. Voigt (Lehrbuch der Zoologie 1853) folgendes zu lesen: „ …sind zweischalige, aber festsitzende und der freien Bewegung unfähige Muscheln, welche statt des Fußes zwei fleischige, mit zahlreichen Fäden bestetzte Arme, wahre Fühler besitzten, zwischen deren Basis der Mund liegt. Sie können diese Fühler aus der Schale hervorstrecken und wieder zurückziehen, wobei sie sich spiral rollen.“ Wie wir sehen war das Wissen von Brachiopoden zu dieser Zeit noch nicht besonders detailiert, wenn überhaupt vorhanden, obwohl schon einige hundert fossile Arten beschrieben waren. Lebende Brachiopoden waren noch unbekannt. Bei dem betreffenden Organ handelt es sich weder um Arme oder Fühler, noch sind diese beweglich.
Man wollte bei der Vergabe des Namens an die „Bauchfüßer“ für Schnecken und „Kopffüßer“ für Tintenfische anlehnen und ebenfalls einen „…füßer“ kreieren, was zu dem Namen Armfüßer führte. Von dem gemeinten kiementragenden Organ, dem Kiemenarm oder Lophophor leitet sich aber auch der nachvollziehbare Name Armkiemer ab. Wie aus dem Textauschnitt auch zu ersehen ist, wurde zwischen Brachiopoden und Muscheln auch nicht unterschieden.

Lebensweise

Der mit zahlreichen Wimpern besetze Kiemenarm der Brachiopoden dient nicht allein zur Atmung, sondern auch zur Nahrungsaufnahme. Die Tiere ernähren sich von Plankton, das sie mit Hilfe ihrer Kiemen aus dem Wasser ausfiltrieren. Die Nahrung wird über Bewegung der Wimpern zum Mund befördert. Das Ganze geschieht natürlich mit geöffneten Klappen. Die Tiere stellen sich dazu in entgegengesetzte Strömungsrichtung, so dass die Nahrung ihnen sozusagen zuströmt. Ihr Lebensraum sind bevorzugt nicht allzu tief gelegene Meeresbereiche bis etwa 200 m (Schelfmeere). In der Tiefsee sind nur sehr wenige Arten anzutreffen. Ebensowenig lieben sie sehr geringe Wassertiefen. Was die Wassertemperatur betrifft sind sie sehr flexibel, allerdings bevorzugen sie stark bewegtes Wasser.

Vorkommen

Erste hornschalige, schlosslose Brachiopoden traten bereits im Kambrium vor rund 570 Millionen Jahren auf. In den Meeren des Ordovizium sind sie bereits weltweit vertreten. Die Schalen der späteren Brachiopoden waren aus Kalk aufgebaut. Sie waren stete Vertreter in den Weltmeeren. Von Blütezeiten kann man nur bei gewissenGruppen reden, da andere Gruppen dabei meidt gleichzeitig zurücktraten und die Formenvielfalt dadurch wiederum eingeschränkt war.
Man unterscheidet bei den Brachiopoden 10 Ordnungen:

Lingulida (Kambrium – heute)
Acrotretida (Kambrium – heute)
Obollelida (Unt. – Mittl. Kambrium)
Paterinida (Unt. – Mittl. Kambrium)
Orthida (Kambrium – Unt. Perm)
Strophomenida (Ordovizium – Unt. Jura)
Pentamerida (Mittl. Kambrium – Devon)
Rhynchonellida (Mittl. Ordovizium – heute)
Spiriferida (Mittl. Ordovizium – Jura)
Terebratulida (Devon – heute)

Älteste lebende Fossilien

Besonders auffällig sind dabei die ersten beiden Ordnungen der Lingulida und Acrotretida. Sie überdauerten einen Zeitraum von ca. 450 Millionen Jahren. Ausgerechnet Vertreter der ältesten Brachiopodengruppen finden wir auch heute noch in unseren Meeren, obwohl diese zu keiner Zeit besonders in den Vordergrund traten. Das lebende Fossil Lingula hat sich seit dem Ordovizium (500 – 440 Millionen Jahre) so gut wie nicht verändert. Der Brachiopode gehört zu den ältesten bekannten heute noch lebenden Fossilien. Der berühmte Paläontologe Niles Eldridge, der Direktor der Abteilung für Wirbellose am America Museum of Natural History nennt dieses Phänomen Stasis. Es steht im Widerspruch zu Darwins Vorstellungen vom ständigen Wandel der Lebewesen im Laufe der Erdgeschichte.
Vier Ordnungen der Brachiopoden starben dagegen bereits im Erdaltertum (Kambrium – Perm ) komplett aus.

Brachiopoden in der Erdgeschichte

Die Brachiopoden waren eine extrem artenreiche Tiergruppe. Fossil sind heute etwa 8000 Arten bekannt. Ebenso vielfältig sind die Formen ihrer Klappen. Die Größe von Brachiopoden liegt zwischen wenigen Millimetern bis zu 8cm. Der Durchschnitt liegt bei 3 – 4cm. Aber auch Riesenformen kommen vor. Gigantoproductus giganteus erreicht eine Breite von mehr als 35 cm. Die Gattung ist ein wichtiges Leifossil im Zechstein des Perm.
Im Kambrium sind sind Arten der Gattung Lingula und Orthis als Leifossilien von Bedeutung. Die Rhynchonelliden sind seit dem Ordovizium regelmäßig bis heute vertreten. In Karbon und Devon sind Vertreter der schmetterlingsförmigen, im Flachwasserbereich lebenden Spiriferiden gute Leitfossilien. Einige Brachiopoden sind zu manchen Zeiten sehr häufig und bilden gar sehr fossilreiche Leithorizonte aus, wie die Productus- Kalke aus Küstenberichen des Perm oder die Terebratelbank im Muschelkalk der Trias. Brachiopoden waren zwar die häufigsten Meeresfossilien der Trias, allerdings waren die Terebratuliden unverhältnismäßig stark daran beteiligt. In Wirklichkeit leitet beträchtlicher Artenschwund zu dieser Zeit das Ende der großen Zeit der Brachiopoden ein. Im Jura geht die Artenvielfalt der Brachiopoden weiterhin stark zurück, häufig sind nach wie vor Rhynchneliden und Terebrateluliden, wichtige Leitfossilien die Gattungen Antinomia und Pygope. Heute leben nur noch ca. 60 Brachiopodengattungen mit 280 Arten in den Weltmeeren.